WINKLERN  : vom Mautturm zum Tauernwurm

 

Wer ein Lehrbeispiel für die Problematik der Nutzung von Burgen und Burgruinen sucht, dem sei eine Reise nach  Winklern empfohlen. Dort ist seit 2004 ein besonders schönes Beispiel zu bewundern, wie knapp hier Genie und Wahnsinn beieinander liegen können.
Sämtliche denkbaren  Vor- und Nachteile der Burgensanierung können hier auf engstem Raum bewundert werden.

Die Pluspunkte :
  • die völlig verwahrloste Ruine, die zuvor nur für hartgesottene Burgenfreaks attraktiv war ist heute für die Öffentlichkeit zugänglich und sicher begehbar.
  • der Turm ist heute die zentrale Attraktion des Ortes.
  • die Bausubstanz ist gesichert.
  • durch Beschilderung wird versucht dem Besucher die Baugeschichte des Turmes näher zu bringen.
  • die  Architektur des 21.Jahrhundert, die einem 700 Jahre altem Gebäude aufgepropft wurde, ist großteils wieder entfernbar.
    Was sich die Architektin dabei gedacht hat kann man unter http://www.revedin.com/winklern/winklern.html nachlesen.
     

Die Minuspunkte :

  • die Baubefunde die Winklern in der österreichischen Burgenlandschaft einzigartig machen wurden offensichtlich nicht erkannt...

  • und in weiterer Folge ohne ersichtlichen Grund zerstört oder in ihrer Wirkung stark beeinträchtigt.

  • die Chance einen mittelalterlichen Turm selbst zur Attraktion zu machen wurde vertan. Er dient nur als Kulisse und Container für eine Ausstellung über Wasser und Kristalle die genauso gut irgendwo anders untergebracht werden könnte.

  • Im Inneren des Turms überwiegt der "Geisterbahneffekt", den wir schon vom Fürstenhof in Friesach kennen.

Für die Landesausstellung 2004 wurde der Turm der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das an zwei Seiten angebaute Nebengebäude wurde abgerissen und durch moderne Bauten ersetzt. Zur Erschließung des Turmes wurde eine Stahl-Holzkonstruktion errichtet.
2002 war das 2.Obergeschoss mit der Fenstergruppe nur über die wackelige, aber originale Treppe an der Außenseite erreichbar. Die  Holzbalkendecke des 14.Jahrhunderts war zwar noch vorhanden, aber nicht mehr begehbar. Daher wurde das linke Foto von der sicheren Türe aus aufgenommen. Jedenfalls hatte man einen schönen Blick auf eine weitere Besonderheit des Turmes: Die vierteilige Fenstergruppe, die den Wohnraum des 14. Jahrhunderts mit Licht versorgt hat. Rechts ein stark verändertes, ehemaliges Schiebeladenfenster.
Beim Umbau zum Tauernwurm wurde die Holzbalkendecke kurzerhand abgeschnitten- rechts im Bild kann man noch die Reste der eingemauerten Balken sehen - und durch eine Stahlkonstruktion ersetzt, auf der man heute auch die oberen Stockwerke sicher erreichen kann. Dabei wurde das Fußbodenniveau im Bereich der Fenstergruppe ohne erkennbaren Grund um einen guten Meter angehoben. 
Die Fenstergruppe wurde mit  (leicht entfernbaren) Holzläden verschlossen, das Schiebeladenfenster mit einem schwarzen Vorhang. Beide sind dadurch für den gelegentlichen Besucher kaum mehr wahrnehmbar. Dafür wird der Besucher an diese Stelle per Videobotschaft ausgerechtet vom bekennenden Hitlerfan Leni Riefenstahl über die Vorzüge des Bergkristalls informiert.
2002 war der Turm in einem völlig verwahrlosten Zustand. Berge von Müll und Gerümpel füllten das Kellergeschoss, der Zugang zum  Erdgeschoss  war nur kriechend möglich,  zu den oberen Stockwerken nur unter erheblicher Gefahr.
2005 können Besucher über neue Treppenanlagen sämtliche Stockwerke gefahrlos begehen.
Der offene, tonnengewölbe Gang an der Hinterseite des Turmes ist im österreichischen Burgenbau einzigartig. Laut Martin Bitschnau handelt es sich dabei um eine bei mittelalterlichen Bauernhäuser in Westösterreich übliche Einrichtung. Er schließt daraus, daß der Mautturm von Winklern aus der Aufstockung eines einfachen Bauernhauses entstand. Diese Theorie wurde auch durch die dendrochronologische Untersuchung der inzwischen großteils zerstörten Balkendecken untermauert.
2005 ist der Gang zu einem Plantschbecken umfunktioniert. Seine Funktion ist nicht mehr erkennbar.
Der Geisterbahneffekt, ein Grundelement der Ausstellungsgestaltung im beginnenden 21.Jahrhundert ( leider nicht nur in Winklern ): im fast völlig abgedunkelten Inneren des Turms ist dieser selbst kaum zu sehen und muß sich dem Ausstellungsinhalt völlig unterordnen. Baudetails werden entweder hinter Vorhängen versteckt oder dienen bestenfalls als Rahmen für Exponate. Kurze Video- und Tonbotschaften bombardieren den vorbeiwankenden Besucher mit Informationsschnipsel. Die gesamte Ausstellung ist auf einen gehenden Besucher abgestimmt. Ein Besucher der so interessiert ist, daß er auch stehen bleiben könnte ist im System nicht vorgesehen.
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