Der Palas von Liebenfels
Kärnten / Bez. St.Veith / OG. Liebenfels

 

Liebenfels im späten 14.Jahrhundert

Der erste Eindruck von Liebenfels wird von einer riesigen Vorburg geprägt, die der Hauptburg an der wenig geschützten West-Seite  vorgelagert ist. Die eigentliche Hauptburg dagegen ist erstaunlich klein und besteht aus einem polygonalen, dem Verlauf des Burgfelsens angepassten Bering, der nur Platz für einen kleinen randständigen Palas bot. Im Zentrum des Berings steht frei ein völlig überdimensionierter Bergfried.  Wenn man ein Beispiel für die Theorie sucht, daß Bergfriede nicht wirklich Wehrbauten, sondern ( ähnlich dem Wolkenkratzer der Jetztzeit ) Status- und Machtsymbole waren, dann bietet sich der Bergfried von Liebenfels an. Dieser ist zwar von beeindruckender Dimension, aber als Wehrbau unbrauchbar, weil er frei im Hof steht und seine massive Mauerstärke im Angriffsfall erst zum Tragen kommt wenn die Ringmauer schon zerstört ist.

     
     


Liebenfels Überhaupt ist das Gesamtkonzept der Hauptburg aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar.  Der Palas steht an der  Nordseite, die Fenster und die Biforen des Saales sind so platziert, daß sie auch an einem sonnigen Hochsommertag nur Minuten vor Sonnenuntergang etwas Sonnenlicht abbekommen. Gegen Süden - in Richtung des Burghofes - ist der Palas fensterlos, und steht im Schatten des riesigen Bergfrieds.
Bei der Errichtung des Palas mußte einerseits auf die stark geknickte Ringmauer, andererseits auf den im Weg stehenden Bergfried Rücksicht genommen werden. Das Resultat ist ein etwa 18 Meter langes und nur 4 Meter breites, mehrfach geknicktes Gebäude mit unregelmäßigem Grundriss.   

Er ist kein einheitlicher Bau, sondern das Resultat mehrerer, wahrscheinlich kurz aufeinander folgender Bauphase, die man mit "um 1300 " datieren könnte.

Liebenfels : Bauphasenplan Hofseite Wandabwicklung und Baualterplan der Hofseite Liebenfels : Bauphasenplan Talseite Wandabwicklung und Baualterplan der Talseite

                              

Vermutete Bauphase I : ( im Plan Orange dargestellt ) 
Der erste Palas war ein langgestrecktes, an die geknickte Ringmauer angelehntes Gebäude, das in etwa dem Ausmass des heutigen Palas entspricht. Davon ist die gesamte Talseite erhalten und an Hand mehrerer teilweise vermauerter Öffnungen in der Ringmauer nachweisbar. Dabei handelt es sich lediglich um einfache Lichtschlitze, die Existenz größerer Fenster kann ausgeschlossen werden. 

Befunde der Bauphase 1:

  • drei Lichtschlitze im Erdgeschoss / Talseite, wovon der mittlere in BPII vermauert wurde
  • ein einzelner Lichtschlitz im 1. OG / Talseite 
  • drei vermauerte Lichtschlitze im 2.OG / Talseite ( nur von außen sichtbar ) .  

Bauphase 2 : Wiederaufbau oder Planänderung ( BP II ) ( im Plan Orange dargestellt )
Der Palas der Bauphase 2  war nur halb so lang wie heute. Nach etwa 8 Metern knickte die hofseitige Wand in rechtem Winkel ab und stieß stumpf ( ohne Verzahnung ) gegen die ältere Ringmauer. Dabei wurde einer der Lichtschlitze der BPI vermauert. Ob es sich dabei um einen Wiederaufbau des Palas nach einer Zerstörung oder um eine massive Planänderung während des Baus handelt ist nicht ganz klar. Auch "Pfusch am Bau" wäre eine plausible Erklärung die man nicht ausschließen kann.
Die Quermauer, die den Palas gegen Osten abschloss war mit der Hofseite verzahnt, nicht jedoch mit der Ringmauer , was für eine sekundäre Errichtung der Hof- und Ostseite sprechen würde. Der Zugang lag an der östlichen Schmalseite. Daher ist die Verzahnung  der Quermauer nur im 1.OG zu sehen, im EG befand sich dort die Türleibung. Ein kleiner Teil des Torgewändes ist noch erhalten.
Großes Kopfzerbrechen bereitete der Umstand, dass die Balkenlöcher der eingemauerten Balkendecke auf der Hofseite rund und an der Talseite viereckig sind: Die Lösung für dieses Rätsel findet man im Wohnturm der Burg Niederkraig, wo sich ein eingemauerter Streichbalken bis heute erhalten hat, der ebenso  an einem Ende rund, aber an dem der Wurzel näheren Ende eckig ist. Man hat also einen Baumstamm verwendet der ungefähr der geforderten Dimension entsprach, und der nur dort bearbeitet werden musste, wo er zu breit war. In einer  Zeit als weder Tieflader noch  Sägewerke zur Verfügung standen  war das sicherlich eine arbeitssparende Variante der Holzbearbeitung.

Der Palas der Bauphase II war also ein dreistöckiges Gebäude von nur 8x4 Metern Innenlichte, das außer einigen Lichtschlitzen keinerlei Fenster hatte. Auch die geringen Raumhöhen von nur knapp über 2 Metern lassen eine Nutzung als "Palas" fraglich erscheinen.

Befunde aus dieser Bauphase :

  • Vermauerung eines Lichtschlitzes der BPI durch die Quermauer
  • die ( mittlerweile abgebrochene ) Quermauer wurde zusammen mit der Hofseite errichtet, stößt aber stumpf gegen die Ringmauer der BPI:
  • Rest des Torgewändes 
  • die westliche Hälfte der Hofseite mit 4 Lichtschlitzen. 

Bauphase 3: Palasausbau zur heutigen Form. ( BP III ) ( im Plan hellblau dargestellt )
In einer dritten Bauphase wurde der Palas  auf die heutige Länge vergrößert und das 2.OG zu einem vollwertigem Wohngeschoss ausgebaut. Es erhielt einen Wohnraum mit 5-teiliger Fenstergruppe an der Nordwest-Ecke und einen kleinen Saal mit 3 Biforenfenstern . 

Die westliche Hälfte des Gebäudes ist dreigeschossig, die östliche hat - bei gleicher Gesamthöhe - nur zwei Geschosse , weil  die beiden unteren Etagen  zusammengelegt wurden. Der Palas hatte zwei auffällig große Zugänge im EG. An der Baufuge zum älteren Teil entstand ein großes Spitzbogentor, an der östlichen Schmalseite ein weiteres ähnlich überdimensioniertes Tor. Hinter diesem Tor haben sich drei Balkenlöcher erhalten die wahrscheinlich zu einem Treppenpodest gehören. Dieses schneidet in die Spitzbogentüre ein, die daher kein vollflächiges Türblatt gehabt haben konnte, sondern einen feststehenden oberen Teil im Bereich des Spitzbogens, und ein bewegliches rechteckiges Türblatt darunter. Ob die ältere Quermauer die den Palas in BP-II gegen Osten abschloss schon bei diesem Ausbau oder erst später abgebrochen wurde kann nicht gesagt werden.

                                        

Fesntergruppe , links unten vermauerter LichtschlitzDie Nord-Westecke wird von einer fünfteiligen Fenstergruppe eingenommen. Sie besteht aus drei  spitzbogigen, stark nach außen getrichterten Öffnung in der unteren Ebene und zwei weiteren, gleichartigen Öffnungen in der oberen Ebene. Eine derart komplizierte Form aus dem kleinteiligen Steinmaterial zu mauern zeugt sicherlich von großer Geschicklichkeit. Gegenüber ist auf der Hofseite  eine etwa quadratische Öffnung zu erkennen, deren Seiten aus hochgestellten plattigen Steinen geformt wird. Die Öffnung ist stark verfallen, und man kann nicht mehr sagen ob es sich dabei um ein Fenster, einen Rauchabzug  oder nur um einen kleinen Wandschrank handelt. Der Raum war mit einiger Sicherheit eine aus Holz gezimmerte Stube, die gegen den Saal hin mit einer hölzernen Wand abgetrennt war.

Bifore , links unten vermauerter LichtschlitzWestlich schloss an die Stube der Saal mit drei Biforenfenstern in  Sitznischen an, eine davon liegt direkt am Mauerknick der Ringmauer und hat daher eine gekrümmte Außenseite. Eine Besonderheit der Biforen ist, dass ihr Sturz nicht aus Hausteinen sondern aus Schieferplatten geformt ist. Daher kann man wohl annehmen dass sie, ebenso wie der ganze Bereich der Fenster verputzt waren. Die Mittelsäule fehlt bei allen drei Fenstern. Da bei gemauerten Biforen die Mittelsäule statisch unbedingt notwendig ist, führte der Verlust der Säule unweigerlich zur Beschädigung der Bögen. Ähnliche gemauerte Biforen findet man auf Niederkraig und Himmelstein.

liebenfels_rbf.jpg (35453 Byte)An der östlichen Schmalseite befindet sich eine schmale rundbogige Türe, die wahrscheinlich auf einen Laufgang entlang der Ringmauer führte. Daneben an der Hofseite ein rundbogiges Fenster in einer Nische mit Giebelsturz. Daneben liegt eine kleine verputzte Wandnische ( Kästchen? ) und eine knapp unter der Decke  liegende, nicht mehr genau definierbare Öffnung, eventuell ein Kamin.

Befunde der Bauphase III 

  • senkrechte Baufuge an der Hofseite vom  EG bis 1.OG. 
  • das an der Baufuge liegende Spitzbogentor der Hofseite ist im Osten neu aufgemauert, im Westen in die ältere Palasmauer der BPII eingestemmt. 
  • An der östlichen Schmalseite Baufuge zwischen BPI ( Ringmauer ) und BPIII vom Fußboden bis knapp über Fußboden 2.OG. 
  • Das an der östlichen Schmalseite errichtete Spitzbogentor ist an der Hofseite primär, an der Talseite in die Ringmauer der BPI eingestemmt. Knapp darüber ist der Rest eines Türgewändes zu sehen, der nicht zum Fußbodenniveau der BPIII passt und daher am ehesten zur - ansonsten fast völlig verschwundenen BPI gehören dürfte. 
  • Biforen und Fenstergruppe sind sekundär in die Ringmauer eingefügt  und überbauen die Lichtschlitze der BPI

 

liebenfels_tor.jpg (65532 Byte)Bauphase IV: ( im Plan grün dargestellt )
In einem weiteren Bauabschnitt wurde das große Spitzbogentor an der Hofseite vermauert. In der Vermauerung wurde ein Stichbogenfenster mit stark gegen Westen verzogener Laibung ausgespart.

 

 

 

 

(c) www.burgenseite.com